Haushaltsrede unseres Gemeinderatsmitglieds Richard Diehm

Haushaltsrede 2008

Es gilt das gesprochene Wort

Wehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, Herr Oberbürgermeister Mikulicz, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger.

In den vergangenen Jahren musste bei den Haushaltsberatungen unser Blick hauptsächlich aufs Sparen, Kürzen und Hinausschieben von Investitionen gerichtet sein – wir haben größtenteils, so denke ich, wie man so schön sagt, “unsere Hausaufgaben gemacht“.

Der Haushalt 2006 stellte sich erheblich besser dar als erwartet und ich gehe davon aus, dass die Kreditermächtigung für das Haushaltsjahr 2007 ebenfalls in voller Höhe zurückgegeben wird. Nach dem Lamento der Vergangenheit nun wegen momentan sprudelnder Steuereinnahmen in Jubelgesänge zu verfallen, halte ich aber dennoch für nicht angebracht.

Auf 1.500 Mrd. Euro belaufen sich die Schulden der Bundesrepublik Deutschland . Die demografische Entwicklung in Deutschland wird Politik und Gesellschaft vor neue schwierige, aber lösbare Herausforderungen stellen. Der notwendige Umbau der Sozialsysteme, mit hoffentlich tragfähigeren Lösungen bei den Themen Rente, Gesundheit und Pflege, wird auch die Bürgern/innen der Großen Kreisstadt Wertheim durch notwendige Eigenvorsorge und eingeschränkte Leistungen weiter belasten. Niemand kann voraussagen, wie sich die konjunkturelle Lage der nächsten Jahre entwickeln wird. Auch das Land Ba-Wü wird seine Sparpolitik weiterhin zum großen Teil auf Kosten der Kommunen betreiben, um dem Ziel 2011 keine Schulden mehr aufnehmen zu müssen, näher zu kommen.

Für mich Grund genug einige Ausgaben im Verwaltungs- und Vermögenshaushalt kritisch zu hinterfragen.

Da wäre der stetig wachsende Haushaltstitel für die Betriebskostenumlage an das Rechenzentrum. Mittlerweile 220. Tsd. €. Nehmen wir die Buchungskostenkosten aus den Eigenbetrieben Abwasser, Bauhof, Gebäudemanagement und Wald hinzu, kommen wir auf stolze 250. Tsd. €. Da muss schon mal die Frage nach alternativen erlaubt sein.

Schlösschen Hofgarten. Betrachte ich mir die Kostenentwicklung dieses Projektes, nämlich 84. Tsd. € für die Betriebs- und Unterhaltungskosten im Verwaltungshaushalt und 50 Tsd. € im Vermögenshaushalt 2008 dann läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Gewiss hinterher ist man immer klüger. Weil wir aber die Gegebenheiten nicht mehr ändern können, muss meines Erachtens versucht werden, Einsparpotentiale zu erschließen. Hier darf die Frage nach der Notwendigkeit der überlangen Anstrahlung in den Morgen und Abendstunden erlaubt sein. Auch muss die Frage erlaubt sein, ob wir es uns leisten können jedes Jahr 50 Tsd. € in das Stiftungsvermögen einzuzahlen. Schulden sollten wir meines Erachtens deshalb keine machen. Über die Verpflichtungs-ermächtigung in Höhe von 217 Tsd. € für die Schlösschen-Parkanlage wird wohl auch noch zu diskutieren sein.

Kritisch, wie jedes Jahr, sehe ich den Zuschussbedarf in Höhe von 282 Tsd. € an die FVG, weil für mich unterm Strich für die Bevölkerung der großen Kreisstadt Wertheim kein zählbarer Erfolg erzielt wird. 1999 erhielt die FVG einen Zuschuss in Höhe von 165 Tsd. €.

Da wir diesen Haushalt immer noch mit einer Netto-Neuverschuldung in Höhe von 1,53 Mio € planen sind Investitionen für die Parkanlage Hofgarten, Burg, Eisenbahnbrücke und Erneuerung der Straßenbeleuchtung Odenwaldbrücke mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 1,1 Mio € für mich äußerst fragwürdig und werden meine Zustimmung nicht oder nur in begrenztem Umfang finden.

Die Zuschüsse an das Krankenhaus, die Bücherei und die Musikschule trage ich in vollem Umfang mit. Lobend hervorzuheben ist hier , dass seit der Anstellung des Ehepaars Blido und der Gründung des Musikschulelternbeirates sich die Musikschule in einem soliden und ruhigen Fahrwasser befindet, immer wieder tolle Leistungen hervorbringt und die Schülerzahlen steigen.

Vereine und Verbände, die sich um Kinder und Jugendliche kümmern, sind besonders durch uns zu unterstützen. Sie tragen in hohem Maße zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen bei.

In einem Haushaltsplan wickelt man nicht nur die Gegenwart ab, sondern steckt auch Wegmarken in die Zukunft. Welche Schwerpunkte sollten wir uns als Gemeinderat setzen? Bildung und Betreuung sind für mich Kernaufgaben, denen wir uns künftig unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zu stellen haben. Der bedarfsgerechte und qualitätsorientierte Ausbau der Kinderbetreuung ist kommunale Aufgabe und eine familienpolische Maßnahme in logischer Konsequenz zum neu eingeführten Elterngeld. „Durch den Ausbau der Kleinkinderbetreuung und mehr Ganztagsangebote in den Schulen soll Ba –Wü zum Kinderland Nr.1 in Deutschland werden“, so MP Oettinger in seiner Regierungserklärung 2006. Derzeit gibt es nur für 9% aller Kleinkinder (1 – 3jährige) überhaupt ein Betreuungsangebot. Dieses Angebot soll bis 2010 lt. Tagesbetreuungsausbaugesetz auf 20% erweitert werden. Schon alleine deshalb begrüße ich es, dass der Verwaltung, zusammen mit den kirchlichen Trägern, die Einrichtung neuer Kleinkindgruppen gelungen ist und den Abschluss der Kooperationsvereinbarung mit dem Tagesmütterverein. Wir brauchen verlässliche Angebote, denn Frauen wollen beides, Familie und Beruf. Wenn die Arbeitswelt immer mehr Flexibilität was Wohnortwechsel und Arbeitszeiten betrifft fordert, wenn Familienstrukturen verloren gehen und das Leben mit Kindern immer teurer wird, dann müssen wir uns als Gemeinde diesen neuen Anforderungen stellen und bereit sein über alte, ideologische Hürden zu springen. Auch hier sollten wir uns, wie im Bildungssystem, die erfolgreichen skandinavischen Länder zum Vorbild nehmen. Dort gibt es eine flächendeckende Versorgung mit einer Betreuungsgarantie, ähnlich unseres Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz ab 3 Jahre.

Schule und Bildung:

Grundsätzlich bin ich für die flächendeckende Einführung der Ganztagesschule. Hier ist allerdings ganz klar das Land gefordert, mehr Lehrer/innen, Lehrbeauftragte, Ausbau der Schulsozialarbeit. Ein professionelles Gerüst bei dem Elternschaft und Jugendbegleiter ergänzend und nicht anstatt tätig sind.

Kann man die Hauptschule vor Ort weiterhin als eigenständige Schulart erhalten? Auch dieser Frage werden wir uns bei rückläufigen Schülerzahlen und mangelnder Akzeptanz dieser Schulart wahrscheinlich schneller stellen müssen als uns lieb ist. Ich spreche mich an dieser Stelle klar für den Erhalt der einzelnen Grund- und Hauptschulstandorte aus.

Anmerken möchte ich hier nochmals, dass ich es alles andere als Gut heißen kann, dass der Schulsozialarbeiter der Grund- und Hauptschule Alte Steige, durch eine, nach meiner Ansicht undurchsichtigen Vorlage in der Kuso-Sitzung im Juli diesen Jahres, zu 40 % an die Realschule abgezogen wurde. Nicht dass ich es den Schülern der Realschule nicht gönne, aber Schulsozialarbeit lebt nun einmal von ständiger und nicht stundenweiser Präsenz vor Ort .

Hier wird meiner Ansicht nach an der falschen Stelle gespart. Die monitären Interessen überwiegen vor den Interessen der Kinder und Jugendlichen.

Indes, für die nächtliche Anstrahlung des Spitzen Turmes und Maintor, dafür hat man Geld übrig.

Vermögenshaushalt:

Das städtische Krankenhaus, das Sanierungsgebiet Kernstadt Wertheim und die Sanierung der Commenius Realschule sind neben anderen Aufgaben, in den nächsten Jahren wohl die herausragenden Projekte schlechthin. Beim Krankenhaus stehen momentan noch viele unbekannte im Raum aber ich bin mir sicher, dass es uns gemeinsam gelingt den Standort des städtischen Krankenhauses in Wertheim, als ein Haus der Regelversorgung zu sichern. Eine Herabstufung zu einer Portalklinik ist auf keinen Fall hinnehmbar.

Auch wenn nicht alles Gold ist was glänzt und wenn sicherlich noch über die eine oder andere Investition zu reden sein wird, will ich es nicht versäumen Ihnen H. O.B. Mikulicz, der Verwaltung, dem Team der Stadtentwicklungsgesellschaft und allen beteiligten an dem Projekt Sanierungsgebiet Kernstadt Wertheim zu danken. Ich bin mir sicher dass dieses Projekt unsere Stadt noch weiter nach vorne bringen wird.

Ich bin jedoch auch der Meinung, das es richtig war die 20 Tsd. € für Vorplanung und Konzepte einer Landesgartenschau aus dem Haushaltsentwurf zu streichen. Die 20 Tsd. € hätten einer Erhöhung des Grünflächenbudgets der Ortschaften besser zugestanden.

Die Kosten in Höhe von ca. 13,3 Mio. € für die Generalsanierung der Comenius Realschule werden in den folgenden Haushaltsjahren ihre Spuren hinterlassen. Wenn ich an den bevorstehenden Umzug der Realschule auf den Reinhardshof denke und die kürze der Zeit, kann ich allen an diesem Projekt beteiligten nur meinen Dank und Respekt für das bisher geleistete aussprechen. Neben der Verwendung von Biologischen Baustoffen, unserer Kinder wegen, fordere ich aber auch, dass bei der Sanierung der Realschule nicht nur die gesetzlichen Standarts eingehalten werden, sondern, dass gerade im energetischen Bereich die Standarts erheblich übertroffen werden müssen. Was heute Gesetz ist kann morgen schon überholt sein. Bei entsprechenderm Einsatz innovativer Technik können in Stuttgart vielleicht ja noch zusätzliche finanzielle Mittel aquiriert werden. Der beste Klimaschutz ist immer noch die eingesparte Energie.

Unter dem Motto Global denken, lokal handeln, hat der Main-Tauber-Kreis immerhin eine Energieagentur geschaffen, welcher Sie H. O.B. Mikulicz vermutlich auch zugestimmt haben. Wenn sich der Landrat das Ziel setzt, den Energiebedarf aller Kreiseigenen Gebäude bis 2020 aus regenerativen Energien zu decken, so muss das im Umkehrschluss auch für alle städtischen Gebäude unser erklärtes Ziel sein.

Seine Hausaufgaben gemacht hat der Ortschaftsrat bzw. hat die Ortschaft Kembach. Schon deshalb ist die Investition für den Antrag zur Aufnahme in das Landessanierungsprogramm gerechtfertigt. Obwohl ich schon seit mehreren Jahren Investitionen für die Stärkung der Ortskerne einfordere, etwas mehr Fingerspitzengefühl seitens der Verwaltung hätte ich mir bei der Auswahl einer weiteren Ortschaft für die vorbereitende Untersuchung zur Erstellung eines Antrages in das Landessanierungsprogramm gewünscht. Aber ich denke die Bürgerinnen und Bürger der großen Kreisstadt Wertheim werden dieses selbst zu beurteilen wissen. Das die Bürgerinnen und Bürger in Sonderriet und Nassig immer noch vergeblich auf einen Anschluss an das DSL Netz warten ist nicht mehr länger hinnehmbar. Dieser Umstand ist für die Gewerbetreibenden in diesen beiden Ortschaften mittlerweile ein handfester Standortnachteil aber Ihre Gewerbesteuer müssen diese trotzdem bezahlen. Mit Briefen an die Deutsche Telekom Herr Oberbürgermeister ist es jedenfalls nicht getan. Ein Investitionszuschuss seitens der Stadt würde der Telekom oder einem anderen Investor das Projekt vielleicht schmackhafter machen. Ob Zuschussmittel aus dem ELR Programm zu erhalten sind, sollte ebenfalls geprüft werden.

Zunehmend und erschreckend wird deutlich, wie ungeheuer stark unsere Zukunft von der Bewältigung der Energiefrage abhängt. Die Frage ist nicht mehr ob, sondern nur in welchem Ausmaß uns die Konsequenzen des Klimawandels treffen werden. Energiesparen, Effizienzsteigerung und vor allem der Ausbau erneuerbarer Energien müssen unsere Antwort darauf sein und Kommunen sollten eigentlich Vorbildfunktion haben. In Wertheim weitestgehend Fehlanzeige.

Die wenigen ökologischen Vorzeigeprojekte wie BHKW Gymnasium, BHKW Kläranlage, die Holzhackschnitzelanlage im Bildungszentrum Bestenheid, und Photovoltaikanlagen sind alle auf Grüne Forderungen hin entstanden.

Wenn wir schon meinen, immer wieder Neubaugebiete ausweisen zu müssen und mit dem Hinweis auf das kürzlich verabschiedete Erneuerbare Wärme-Gesetz Baden Württemberg fordere ich die Verwaltung zur Aufstellung von ökologisch ausgerichteten Bebauungsplänen auf, zum Bsp. durch den Aufbau einer Nahwärmeversorgung.

H. Oberbürgermeister Mikulicz, die Südwest CDU auf Ihrem letzten Parteitag die Besteuerung von Flugbenzin gefordert und unsere Umweltministerin Tanja Gönner u. a. den enormen Flächenverbrauch kritisiert. Scheinbar kapiert es allmählich sogar die CDU, dass man mehr für den Erhalt unserer Umwelt machen muss. Von Ihnen und dem vorgelegten Haushaltsentwurf kann ich das aber nicht behaupten. Dies spiegelt sich schon alleine in der Tatsache wieder, dass die Verwaltung in der Altstadt die Montage von Solaranlagen verbieten will. Ein Grund mehr, dem vorgelegten Haushaltsentwurf meine Zustimmung zu verweigern.

Bedanken möchte ich mich bei allen Mitarbeitern des Fachbereichs 1 für die wie immer vorbildliche Erstellung des Haushaltsplans, Hrn. Oberbürgermeister Mikulicz und meinen Kollegen/innen für die manchmal hart in der Sache aber steht´s faire Zusammenarbeit im Gemeinderat, so wie allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Konzerns Stadt Wertheim für ihr Engagement. Ebenso danke ich allen ehrenamtlich engagierten Menschen in der großen Kreisstadt Wertheim, die unser Gemeindeleben mitgestalten. Schließen möchte ich mit dem Neujahrgedicht von Rainer Maria Rilke

Wir wollen glauben an ein langes Jahr, das uns gegeben ist, neu,

unberührt, voll nie gewesner Dinge,

voll nie getaner Arbeit, voll Aufgabe,

Anspruch und Zumutung. Wir wollen sehen,

dass wir`s nehmen lernen, ohne allzu viel fallen zu lassen von dem

was es zu vergeben hat, an die, die Notwendiges, Ernstes und Großes von ihm verlangen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.