Birgit Väth – Haushaltsrede 2013

Haushaltsrede GR Wertheim, im Dezember 16.12.2013

Birgit Väth – Bündnis 90/Die Grünen

Haushalt 2014

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

als der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, anlässlich seines Besuches in Wertheim vor wenigen Monaten auch dem Oberbürgermeister einen Besuch abstattete, stellte er beim Blick auf die angebotenen Erfrischungen augenzwinkernd fest: „Ihrer Stadt scheint es nicht so schlecht zu gehen. Sie haben noch Butter auf den Brezeln.“

Auch wenn es uns hier in Wertheim nicht zuletzt dank der florierenden heimischen Wirtschaft nicht schlecht geht, so gilt es natürlich auch bei uns, auf eine wohl überlegte und ausgewogene Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel zu achten.

Zahlen, Daten, Fakten zum Haushaltsentwurf 2014 wie die zu erwartenden Einnahmen, Kreditaufnahmen und Investitionen wurden bereit ausführlich vom Oberbürgermeister dargelegt und erläutert. Daher will ich mich nun darauf beschränken die grünen Positionen zu dem ein oder anderen Thema hervorzuheben.

Die bereits genannte Investition in die neue Feuerwache ist eine unumgängliche Investition in die Sicherheit unserer Stadt, einhergehend mit der Wertschätzung der von der Feuerwehr geleisteten Arbeit. Dass wir hier bereits die Rohbauarbeiten vergeben können und bald eine moderne und funktionale Einrichtung einweihen können ist sehr erfreulich.

Auch aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Themen wie Stadtentwicklung, Familienfreundlichkeit und Infrastruktur im Vordergrund der Kommunalpolitik in Wertheim stehen. Ergänzend möchte ich allerdings noch hinzufügen – nicht nur unter Berücksichtigung einer soliden Haushaltspolitik, sondern auch unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit. Alle Entscheidungen, die wir heute treffen, haben nicht nur eine unmittelbare Wirkung auf die Gegenwart, sondern sind gleichzeitig unser Erbe an künftige Generationen. Daher sollten und müssen wir nicht nur mit unseren Ressourcen schonend umgehen, sondern immer auch die Auswirkungen und die Nachhaltigkeit der von uns angestoßenen Projekte hinterfragen und überprüfen.

Eine unserer größten Herausforderung ist der demographische Wandel. Wir müssen uns fragen, warum gerade im reichen Deutschland die Rahmenbedingungen für die Bereitschaft, Kinder bekommen und erziehen zu wollen, nicht stimmen und müssen sie daher positiv verändern. Wichtiger als rein monetäre Leistungen sind aus unserer Sicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine qualitativ hochwertige und verlässliche Kinderbetreuung vom Kleinkindalter an, sowie gleiche Bildungschancen für alle – unabhängig vom sozialen Hintergrund, von der Herkunft oder vom Geldbeutel der Eltern. Eine große Aufgabe und echte Herausforderung für die Kommunen. Wertheim ist hier auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Ein Faktor, der aus meiner Sicht oft zu wenig berücksichtigt wird, ist hierbei nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern sind auch die beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten für Frauen mit Kindern. Unseres Erachtens ist hier für einen echten Durchbruch die Einführung einer verbindlichen Frauenquote unumgänglich. Wenn wir bei der Vereinbarkeit von Kind und Karriere – für Frauen wie für Männer – vorankommen wollen, dann ist es jedenfalls nicht nur folgerichtig, sondern unumgänglich in Kindergärten, Schulen und Bibliotheken zu investieren. Erfreulich ist hierbei, dass die unausweichliche Kindergartengebührenerhöhung durch eine Erhöhung der Erstattungsquote des Familienpasses für Familienpassbezieher abgefangen werden konnte und dass sich letztlich Argumente auch aus einer kleinen Gruppe ohne Fraktionsstatus durchsetzen konnten. Der Familienpass ist ein gutes kommunales Instrument, um Familien mit geringerem Einkommen und nun auch prinzipiell alle Alleinerziehende zu fördern, denn er reduziert nicht nur die Kindergartengebühren, sondern auch Kosten für alle anderen städtischen Einrichtungen. Wenn es ihn noch nicht gäbe müsste er, wie der Oberbürgermeister vor kurzem feststellte, erfunden werden.

Auch wenn Wertheim diesbezüglich innerhalb des Main-Tauber-Kreises in mancherlei Hinsicht eine Vorbildfunktion und Familienfreundlichkeit in unserer Stadt einen hohen Stellenwert hat, so haben wir in Bezug auf die Gemeinschaftsschule doch lange gezögert und dadurch Schüler an eine Nachbargemeinde verloren. Der Gemeinderat hat die Zeichen der Zeit letztlich dann aber doch erkannt und mit der Schulentwicklungskommission eine Gemeinschaftsschule auch hier in Wertheim auf den Weg gebracht. Investitionen in diese neue Schulform sind gut angelegtes Geld. Denn in der Gemeinschaftsschule haben alle Schülerinnen und Schüler durch längeres gemeinsames Lernen und individuelle Förderung die Chance auf einen Abschluss, der ihren Begabungen und Fähigkeiten entspricht. Das Kollegium der Schule Alte Steige hat sich große Mühe gegeben und ein tragfähiges pädagogisches Konzept erarbeitet, welches zugleich ein attraktives Angebot an Schüler und Eltern darstellt. Mit dem Wegfall der Grundschulempfehlung und dem Ausbau der Schulsozialarbeit hat die grün-rote Landesregierung die Schullandschaft weniger selektiv und gerechter gemacht. Und mit der regionalen Schulentwicklungsplanung sorgt die Landesregierung dafür, dass Kinder im ganzen Land in ihrer Nähe zu ihrem gewünschten Schulabschluss kommen können – auch hier in unserer Region.

Zu einer lebenswerten Stadt und einer guten Infrastruktur gehören auch ein gut funktionierender öPNV und Radwege. Hier sollten wir investieren und damit eine echte Alternative zum Auto anbieten. Durch eine Umschichtung innerhalb des Landesverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) werden ab dem 01. Januar 2014 von der Landesregierung die jährlichen Mittel für den öPNV/Umweltverbund erhöht. Ich schlage daher vor, dass wir, während wir auf die Mittel vom Bundesverkehrsminister für den Ausbau der A3 warten, zunächst die Radwege entlang des Mains und von der Höhe in die Stadt und nach Bestenheid in Angriff nehmen. Der nicht nur vom Bürgerworkshop gewünschte Citybus und die längst überfällige Anbindung des Krankenhauses an den öPNV sollten ebenfalls kurzfristig auf den Weg gebracht werden. Ein öPNV, wie wir Grüne ihn uns vorstellen, muss gut ausgebaut, zuverlässig und zu fairen Preisen nutzbar sein. Dies ist gerade auch für die Mobilität junger Menschen hier in unserer ländlichen Region wichtig.

Der eben erwähnte Bürgerworkshop zur Stadtentwicklung mit Ortschaften kann übrigens als ein erster Schritt Richtung Bürgerhaushalt gewertet werden, welchen wir im Kontext der Haushaltsberatungen „alle Jahre wieder“ anregen und einfordern. Bürger äußern sich hierbei zu den ihnen wichtigen Maßnahmen und wofür sie die nun mal begrenzten Haushaltsmittel eingesetzt haben wollen. Würden wir die Investitionswünsche nun noch mit den von den Bürgern gesehenen Einsparmöglichkeiten paaren, hätten wir, voilà, einen Bürgerhaushalt. Da bei einem Workshop, der noch lange keinen Bürgerhaushalt macht, aber nur wenige Bürger beteiligt werden können und die Ergebnisse lediglich eine Art To-Do-Liste darstellen, sollten wir einmal darüber nachdenken, ob die Prioritätensetzung mit Blick auf den umfangreichen Maßnahmenkatalog nicht mittels einer Onlineplattform, sowie einer schriftlichen und telefonischen Stimmabgabe durch die Bürger ermöglicht werden sollte. Auf diesem Weg bekäme der Gemeinderat vor seinen Beschlüssen ein deutliches Signal aus der Bevölkerung und in der Konsequenz könnte daraus auch eine größere Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen resultieren. Die Bürger würden so bei den wichtigen Entscheidungen mitgenommen werden und wir liefen nicht Gefahr uns bei der Umsetzung der Projekte eine “ blutige Nase zu holen“, wie Herr Sadowsky in Dietenhan befürchtete. Solche Ansätze der Bürgerbeteiligung würden uns gut zu Gesicht stehen. Denn eine solche „Politik des Gehörtwerdens“ passt gerade auch zur Kommunalpolitik, deren Entscheidungen den Alltag der Menschen hier vor Ort entscheidend prägen.

Spätestens im nächsten Haushalt erwarten wir einen ambitionierten Beitrag zur Energiewende – zum Beispiel in Form von Bürgerwindrädern, mehr Initiative bei der energetischen Sanierung der städtischen Gebäude und Nahwärmekonzepte mit regenerativen Energien. Es ist trotz frustrierenden Klimagipfeln und einer die Energiewende bremsenden Großen Koalition nicht hinnehmbar, dass wir durch unverminderten Co² Ausstoß die Erderwärmung weiter mit verursachen. Wenn wir die Energiewende in Gang halten wollen, dann müssen die Kommunen ihr Motor sein.

Das neue Klimaschutzgesetz der grün-roten Landesregierung ist eine gute Grundlage für die Umsetzung kommunaler Klimaschutzkonzepte. Auch in Wertheim sollten wir vorbildlich und modellhaft zeigen, dass Energiesparen gut für Klima und Finanzen ist.

Zu diesem Thema gehört auch die Ausweitung des Projekts „Flächen gewinnen durch Innenentwicklung“, das von uns vollumfänglich begrüßt wird und auf alle Dörfer ausgeweitet werden muss. Auch wenn hier vielleicht unterschiedliche Interessen aufeinander stoßen, so müsste doch letztlich jeder einsehen, dass dem Flächenfraß durch immer neue Neubaugebiete Einhalt geboten werden muss, da auch dies ein Element des Klimawandels ist auf das wir direkten Einfluss haben. Dies ist auch der Grund warum die Landesregierung den Flächenverbrauch der Stadt Wertheim als Ganzes wertet und nicht jedes Dorf im Einzelnen.

Zum Schluss noch ein paar Worte zur Zusammenarbeit im Gemeinderat. Da dies die letzte Haushaltsrede in eben diesem Gremium in eben in dieser Zusammensetzung sein wird, möchten Frau Mayr-Danisz und ich allen Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates, der Verwaltung und nicht zuletzt dem Oberbürgermeister Danke sagen für die gute und konstruktive Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg. Die zu Beginn unserer Amtszeit manchmal höhnischen Bemerkungen von gegenüber wurden seltener und sind letztlich einer lösungsorientierten Sachpolitik oder doch zumindest einer Toleranz gegenüber anderen Meinungen gewichen. Bezeichnend hierfür ist, dass wir auch ohne Fraktionsstatus sowohl im ältestenrat, als auch in alle Arbeitsgruppen und Kommissionen selbstverständlich einbezogen wurden und so gut wie immer mit einem Kompromiss im Konsens auseinander gingen. Es ist gut, dass wir alle die Weiterentwicklung unserer Stadt im Auge haben. Wir Grüne werden dazu auch in Zukunft gerne unseren Beitrag leisten.

Wir werden dem Haushaltsentwurf 2014 zustimmen.